Zum Abschluss unserer Zeit in Schweden machen wir einen letzten Streifzug durch Trelleborg und finden dabei etwas Unverhofftes. Am Nachmittag haben wir eine gemütliche Schiffsreise auf der Fähre nach Rostock geplant, doch nichts verläuft so, wie es sollte. Am Ende müssen wir sogar um unser im Voraus bezahltes Abendessen auf dem Schiff kämpfen.

Nach einer Woche Schweden brechen wir heute unsere Zelte in Skandinavien ab. Das Hotel liegt direkt neben dem Fährhafen, sodass wir keine zehn Minuten Fahrt bis zum Terminal einberechnen müssen. Wir verstauen unsere Sachen im Auto und spazieren mit leichtem Handgepäck durch die Trelleborger Innenstadt, um die letzten paar Stunden im Norden zu genießen.

Wir haben eigentlich noch keinen Hunger, schauen uns aber trotzdem um, wo wir später noch einen Happen essen könnten. Auf einmal bleibe ich vom Donner gerührt stehen: ‚Varmrökt lax!’ steht in riesigen Buchstaben auf einem Schild vor einem modernen Restaurant. Wir könnten schwören, dass hier gestern noch kein Lokal gestanden hat – wir haben nämlich zwanzig Meter von dieser Stelle entfernt zu Abend gegessen und uns einmal mehr gewundert, dass man nirgends ein typisch schwedisches Restaurant findet.

Ich steuere schnurstracks auf die Tür zu. Hunger hin oder her – wer weiß, ob das Lokal in einer Stunde noch da ist. Und endlich, endlich, schlagen wir unsere Zähne in die langersehnte Spezialität:

Es ist die perfekte Mischung aus frisch gebratenem und gut geräuchertem Lachs, die man uns vorsetzt: saftig und geschmackvoll, nicht zu salzig oder zu fettig. Eine kulinarische Offenbarung! Wir lassen dem Fisch ein schwedisches Passionsfrucht-Schorle folgen, dem auch Flow sein Gütesiegel verleiht.

Satt und zufrieden machen wir uns auf zur Fähre und freuen uns darauf, all die Spiele auszuprobieren, die wir in Malmö extra für die sechsstündige Schiffsreise gekauft haben. Als wir die korrekte Spur für unser Boarding ansteuern, sieht Schnüpi aus dem Augenwinkel eine winzige Digitalanzeige und sagt: „Da steht Abfahrtszeit 17:30 Uhr, sollte unser Schiff nicht um 15:00 Uhr ablegen?“ Von hinten schieben Autos nach, sodass wir keine Zeit haben, genauer hinzuschauen. Aber wir sind überzeugt, dass es sich um eine andere Fähre handeln muss, denn ich hätte von der Betreiberfirma eine E-Mail erhalten sollen, wenn das Schiff nicht planmäßig führe.

Wir folgen den Schildern zu unserer Anlegestelle und manövrieren dabei gefühlt dreimal den Hafen rauf und runter. Endlich stehen wir am richtigen Ort in der Wartekolonne. Eine halbe Stunde später begreifen wir, dass es bei der Anzeige, die Schnüpi gesehen hat, wohl doch um unser Schiff gegangen ist.

Überall steigen rotgebrannte Deutsche aus den Autos und wandern auf dem heißen Asphalt zwischen den Fahrzeugen umher. Niemand weiß, was los ist, und auf der Digitalanzeige über der Fahrbahn steht nichts von einer Verspätung – es laufen nur Werbetexte. Wir warten, wir schwitzen, wir trinken. Dann pinkle ich ungeniert neben dem Auto in die Urinflasche, trotz all der streunenden Germanen.

Achtzig Minuten nach der geplanten Abfahrtszeit läuft endlich unser Schiff ein. Jubel brandet auf, alle steigen in ihre Autos, die Motoren werden angelassen. Dann werden die Motoren wieder ausgemacht, denn zuerst fahren die Autos aus Rostock von der Fähre runter. Es folgen Dutzende von Lastwagen. Dann passiert lange nichts. Es dauert weitere 70 Minuten, bis wir aufs Schiff fahren dürfen – diesmal jubelt niemand mehr – und schließlich nochmals eine halbe Stunde, bis wir endlich ablegen. Drei Stunden zu spät.

Nun könnte man meinen, das Personal des Schiffes würde uns nett empfangen und über die Lautsprecher würde eine überschwängliche Entschuldigung dröhnen. Weit gefehlt! Die Frau an der Bar schnauzt mich an, ich solle gefälligst die Info-Bildschirme beachten, als ich ihr eine Frage stelle. Und der Kapitän nuschelt etwas in sein Mikrofon, das niemand an Bord versteht, auch als er es in zwei weiteren Sprachen wiederholt. Wir fühlen uns definitiv auf dem falschen Dampfer.

Lamentieren bringt nichts, also erkunden wir das Schiff und winken dem Trelleborger Hafen zu, als wir in See stechen.

Wir haben im Voraus ein Essen gebucht: Ein baltisches Büffet, an dem man sich von 16:30 bis 18:15 bedienen darf. Da wir erst seit 17:30 auf dem Schiff sind, vermuten wir, dass das Buffet nach hinten verschoben wird. Doch wieder ist es Schnüpi, die herausfindet, dass dem nicht so ist – das Büffet gilt trotz allem nur bis 18:15.

Wir stürmen ins Bordrestaurant und füllen panisch die Teller. Als wir uns an einen Tisch setzen, beginnt man hinter uns trotz eines protestierenden Gastes mit dem Abräumen des Büffets. Kurz darauf tritt eine barsche Kellnerin an unseren Tisch. Sie hat uns am Büffet schon begrüßt mit: „He, habt ihr für dieses Essen bezahlt?!?“ und sich später lautstark mit einem Gast gestritten. Nun sagt sie uns, wir müssten gehen, der Bereich schließe um 18:30. Wir probieren zu feilschen, doch es hilft nichts. Immerhin erlaubt sie uns, die Teller mit in die Lounge zu nehmen.

Als sie gehen will, sagt Flow ganz ruhig und sachlich zu ihr: „don’t forget to smile“ (vergessen Sie nicht, zu lächeln). Sie hält kurz inne, ihre Miene wird sanfter, und dann erzählt sie uns Folgendes: Diese Linie habe seit zwei Wochen permanent Verspätung. Entsprechend hätte es das Personal nur noch mit wütenden Passagieren zu tun, und sie selbst kämen ja auch immer erst mehrere Stunden zu spät nach Hause. Da falle das Lächeln irgendwann schwer.

Ab diesem Zeitpunkt haben wir mehr Verständnis für die Crew. Wir spülen den Ärger mit einem Cocktail bei der grimmigen Barfrau hinunter, und bei genauerem Hinsehen wirkt sie eigentlich eher müde denn grimmig. Wir besuchen den Duty-Free-Shop und decken uns mit alkoholischen Mitbringseln ein. Und auch das eine oder andere Souvenir der Kategorie ‚braucht-man-echt-nicht-zum-Leben’ findet den Weg in unseren Besitz:

Wir setzen uns in die Lounge und packen die Spiele aus. Die Zeit vergeht auf einmal wie im Flug, und um Mitternacht verlassen tausend ärgerliche, enttäuschte und müde Passagiere sowie drei gutgelaunte Schweizer das Schiff.

Pleiten, Pech und Pannen

Als Rollstuhlfahrer bist du auf Reisen besonders darauf angewiesen, dass alles rund läuft: Bei Zugfahrten darf dich der Kerl mit dem Hebelift, der dich ausladen soll, nicht vergessen. Beim Fliegen sollte der Rollstuhl möglichst in der gleichen Stadt landen wie du selbst. Und wenn das Auto den Geist aufgibt, ist es alles andere als leicht, ein Ersatzfahrzeug zu finden, das für E-Rollis umgerüstet ist.

Unfälle und Missgeschicke passieren, das kannst du nicht verhindern. Und sie können gravierende Auswirkungen auf den Urlaub haben, wie etwa in dem Fall mit dem Rollstuhl, der in der falschen Stadt landet. Am Schlimmsten aber ist es, wenn dir die Angst vor einem Zwischenfall den Reisespaß verdirbt. Die Unfälle geschehen nämlich äußerst selten; die Angst davor begleitet dich hingegen auf jeder Reise.

Die Pannenfahrt mit der Fähre war eine gute Übung, bei ungeplanten Widrigkeiten nicht die Ruhe zu verlieren. Man steigert sich viel zu schnell in etwas hinein – sei es Ärger oder Panik – das die Lösung der Probleme nur erschwert.

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