Es ist alles perfekt vorbereitet. Wir wollen nichts dem Zufall überlassen. Unser Auto ist vollgepackt mit allerlei nötigem und unnötigem Kram, sowie mit leicht paranoiden Dingen wie einer Ersatz-Urinflasche für den Fall, dass die erste Flasche zerbricht, gestohlen wird oder in die Ostsee fällt. Doch je mehr man auf seine Schritte achtet, umso eher stolpert man.

Nach Wochen der Planung und der Recherche sitzen wir also endlich im Auto. Flow trägt Shorts, Schnüpi klebt mit Strohhut und Sonnenbrille am Steuerrad, und ich wackle im Kofferraum bei jeder Bodenwelle hin und her wie ein bekiffter Ober-Chiller. Es wirkt, als ob wir an den Mittelmeerstrand fahren, nicht in den hohen Norden Europas.

An den Strand wollen Tausende, aber sie stauen sich alle auf der Gegenfahrbahn dem Gotthard entgegen. Wir winken ihnen hämisch zu und drücken aufs Gas, bis der erste Blitzkasten unser Mütchen kühlt.

Das Etappenziel des Tages ist Frankfurt, Stadt der Banken und der schwer verdaulichen Zeitungen. Wir sind flott unterwegs und erreichen um Punkt vier Uhr unser Ziel, so, wie es vorgesehen ist, damit wir genügend Zeit haben für den Palmengarten neben unserem Hotel. Dann geschieht dies:

Dies ist der Eingang – der einzige Eingang – unseres barrierefreien Hotels. Schnüpi geht mal nachfragen, was eigentlich Sache ist. Sie erfährt, dass unser Zimmer im ersten Stock liegt – und nein, es gibt leider keinen Lift. Man storniert unkompliziert unsere Reservation und wünscht uns viel Erfolg bei der Suche nach einer neuen Unterkunft.

Wir haben uns bei der Hotelreservation reichlich Mühe gegeben: Während ‚normale‘ Reisende mit einigen Klicks das günstigste Angebot buchen können, haben Schnüpi und ich an gefühlt hundert Orten angerufen und uns in allen möglichen Sprachen zu den Begriffen ‚Barrierefreiheit‘ oder ‚rollstuhlgängig’ durchgeschlagen (englisch: accessible for wheelchairs; schwedisch: tillgänglig för funkis; norddeutsch: Ne Schaluppe mit Rädern hamse, wat? Joa, kommse mal, wir ham n’Warenlift). Denn genau das Frankfurter Szenario haben wir vermeiden wollen. Aber da stehen wir nun wie damals Maria und Josef.

Lamentieren bringt selten was, und wir wollen uns nicht vom ersten Rückschlag die Ferienlaune verderben lassen, also machen wir uns zu Fuß auf die Suche nach einem Ersatzhotel. Wir schlendern an dem Palmengarten vorbei und stellen fest, dass er heute ohnehin geschlossen hat. Zwei Drittel von uns sind leicht betrübt, ein Drittel kann gut damit leben.

Es geht erstaunlich schnell, eine neue Bleibe zu finden: Wir stoßen auf ein modernes Kettenhotel, das spontanen Gästen einen anständigen Preisnachlass gewährt und uns mit Handkuss nimmt. Vor Ort lässt sich auch das mit der Rollstuhlgängigkeit besser einschätzen als am Telefon. Wir holen das Auto und bringen das Gepäck aufs Zimmer, dann feiern wir in der Hotelbar bei einem Tequila mit reichlich Salz die Bewältigung der ersten Etappe. Nun aber raus in die Stadt!

Frankfurt ist schöner, als es sein Ruf erwarten lässt. Wir spazieren durch eine Grünfläche mit lebensgroßen Dinosaurierstatuen und lesen artig die Infotafeln. Dann schauen wir einem Jongleur zu, der bei einer roten Ampel die wartenden Autofahrer unterhält. Und wir zücken zum ersten Mal Flows Kamera, um Schnüpi auf einer U-Bahn der besonderen Art zu fotografieren.

Am Ende landen wir in einem gemütlichen Restaurant in einer hipstermäßig angehauchten Umgebung. Das Restaurant ist nicht rollstuhlgängig, aber ein einzelner Tisch steht unten an der Treppe – quasi die gastronomische Version eines Behindertenparkplatzes. Wir wissen nicht, ob dies Zufall oder Absicht ist, aber wenn sich so eine Gelegenheit bietet, greift man zu:

Beim Reisen mit Rollstuhl kann man noch so sehr versuchen, vorauszudenken und zu planen – irgendwas läuft immer schief. Schlimm ist das nur, wenn man sich davon den Spaß verderben lässt. Schnüpi, Flow und ich schließen in dem Restaurant den Pakt, genau dies zu vermeiden und in allen kommenden Krisen ruhig Blut zu bewahren …

Tücken der telefonischen Reservation

Viele Hotels gehören heute einer Kette an. Ihre Reservationen werden oft von einer zentralen Stelle aus koordiniert, und wenn du mailst oder anrufst, landest du eben nicht beim Hotel, sondern bei dieser Zentrale. Die Mitarbeiter der Zentrale wissen in der Regel nicht, wie es vor Ort aussieht, aber sie wollen dich als potentiellen Gast natürlich nicht dadurch abschrecken, dass sie dir dies auf die Nase binden.

Im Fall mit dem Frankfurter Hotel hat Schnüpi nur die Zentrale der Kette erwischt. Sie bat darum, direkt mit dem Hotel verbunden zu werden, doch man versicherte ihr, das sei nicht nötig, das Hotel sei barrierefrei. Der Kommentar des Hotelrezeptionisten dazu war übrigens: „Die haben null Ahnung da.“

Manchmal siehst du auf Google Street View den Eingang des Hotels und kannst einen ersten Eindruck der Rollstuhlgängigkeit gewinnen. Danach lohnt es sich, nach der Direktwahl des gewünschten Hotels zu stöbern. Du kannst die Zentrale aber auch so lange mit konkreten Fragen zur Liftgröße, der Zimmertürbreite und der Schwellenhöhe löchern, bis sie dich freiwillig verbinden. Wenn sie nicht auf deine Anfragen eingehen, versuchst du es besser bei einem anderen Hotel.

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